Geschichten aus dem Wedding: Hohlräume

jasner_screenDer Parkplatz zwischen Drontheimer und Tromsöer Straße an einem Sonntag: vereinzelte Autos, kaum ein Mensch. Hinterm Einrichtungsmarkt, bei den Müllcontainern und Palettentürmen fahre ich Rollschuh, ziehe schnelle, enge Runden, den Blick auf den Asphalt geheftet, der an dieser Stelle, aber nur an dieser Stelle, warum auch immer, besonders fein strukturiert und glatt ist. Als ich stoppe, steht da ein Mann, wenige Schritte entfernt.

Er hält zwei Metallstäbe. Knapp einen Meter lang, aus Kupfer, offenbar Schweißdrähte, an einem Ende um 90 Grad geknickt, wodurch eine Art Griff entsteht. Der Mensch baut sich auf, sammelt sich, guckt in eine unergründliche Ferne. In den Fäusten hält er die Drähte wie ein schussbereiter Pistolero zwei langläufige Knarren. In seine millimeterkurzen Haare hat jemand rechts und links einen Scheitel rasiert. Er atmet durch und läuft los, gemessenen Schrittes, als nähere er sich einem Gegner zum Duell. Am unteren Saum seiner Jeans, über den Absätzen, hopsen zwei rechteckige, knallrote Flicken hinterher – was vermutlich keine Bedeutung hat, doch sind sie zu auffällig, um sie nicht zu erwähnen.

Der Mann wirkt konzentriert. Alle paar Sekunden schwingen die Schweißdrähte in seinen Fäusten nach rechts oder links. Dann hält er an, richtet die Stäbe neu aus, läuft weiter.

Hallo?

Er sei Archäologe, sagt er. Mit den Stäben könne er Gräber finden.
Hier, hinterm Einrichtungsmarkt?
Hier übe er nur. Wenn beide Drähte nach innen schwingen, erklärt er, zeigten sie einen unterirdischen Hohlraum an. Schwingen sie nach außen, stehe er auf einer Wasserader

Die ganze Geschichte von Carsten Jasner gibt es auf seinem Blog Geschichten aus dem Wedding oder heute auf dem Weddingweiser. Carsten Jasner wohnt seit Dezember 2013 im Soldiner Kiez. Er arbeitet hauptberuflich als Journalist und Autor, schreibt für Geo, Greenpeace-Magazin, P.M. und Brand Eins – über Wissenschaft, Umwelt, Wirtschaft und gesellschaftliche Themen. 2011 erschien sein Buch „Mut proben! Das Leben ist tödlich, aber es muss nicht sterbenslangweilig sein“. Den Blog Geschichten aus dem Wedding betreibt er nebenbei. Der Text “Hohlräume” erschien dort im Februar 2015.

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